Phasen und Konstellationen


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Analyse von Innovationsverläufen

Innovationen hängen stets vom Zusammentreffen unterschiedlicher Faktoren ab. Insbesondere interdisziplinäre Analyseansätze von Innovationsprozessen müssen daher ein breites Spektrum an Faktoren erfassen, in ihrem Zusammenwirken betrachten und zu einem "Gesamtbild" zusammenführen. Die Innovationswirkungen einzelner Faktoren müssen in den Gesamtkontext eingebettet und aus systemischer Sicht bewertet werden. Als Methode für die Analyse der Innovationsbiographie wurde die Konstellationsanalyse gewählt. Vorbereitende Arbeitsschritte sind die Erstellung von Chronologien sowie die Einteilung des betrachteten Innovationsprozesses in Phasen (siehe Phaseneinteilung).

Phaseneinteilungen

Der Phaseneinteilung nach Bild 1 folgt die textliche Gliederung der Kapitel 3 bis 5 im Innovationsbericht. Die aus Sicht des Bearbeiterteams abgegrenzten Phasen werden dort aus den verschiedenen diziplinären Betrachtungswinkel analysiert und bewertet. Für die Kälteerzeugung mit erneuerbaren Energien war eine Phaseneinteilung noch nicht möglich.

Bild 1: Innovationsphasen bei Holzheizungen, solarthermischer Wärmeerzeugung und Wärmepumpen


Bild 2: Innovationsphasen der verschiedenen Holzheizungen


Innerhalb der übergreifenden Phase der Holzheizungen, lassen sich noch die wesentlichen Innovationsverläufe bei den drei Typen von Holzheizungen untereinander abgrenzen. Die Ausführungen dazu finden sich in Kapitel 3 des Innovationsberichts.

Methodik der Konstellationsanalyse

Die Konstellationsanalyse dient als interdisziplinäres Brückenkonzept der Analyse von komplexen Akteurskonstellationen aus multidisziplinärer Perspektive. Sie erleichtert die Bearbeitung interdisziplinärer Fragestellungen eines analytischen Forschungsprozesses. Der Untersuchungsgegenstand – eine Konstellation aus Akteuren, Steuerungsimpulsen, sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen sowie natürlichen und technischen Elementen – kann anhand graphischer Abbildungen aus einer gemeinsamen Perspektive betrachtet werden. Dadurch können die unterschiedlichen Problemsichten, Wissensbestände und Lösungsansätze der beteiligten Disziplinen aufeinander bezogen werden.

Die Einteilung des Innovationsverlaufs in Phasen bildet die grundlegende Heuristik für die Konstellationsanalyse. Durch die Phaseneinteilung werden zeitliche Bezugspunkte für die Kartierung der Konstellationen hergestellt. Für jede Phase werden die wichtigsten in der jeweiligen Konstellation wirkenden Elemente erfasst, benannt und zueinander in Beziehung gesetzt. Das Ergebnis dieses Arbeitsschrittes sind die Konstellationsabbildungen. Sie bilden die Grundlage für die Gewichtung der Konstellationselemente („zentral“ oder „weniger zentral“) sowie für die Analyse der Beziehungen (Relationen) untereinander. Anhand der graphischen Abbildungen werden die Charakteristika der Konstellation sowie ihrer zentralen treibenden oder hemmenden Kräfte herausgearbeitet.

Konstellationselemente

Bei der Konstellationsanalyse nach Schön et al. (2007) werden vier Elemente-Typen unterschieden, aus denen sich die Konstellationen zusammensetzen: Soziale Akteure, technische Elemente, natürliche Elemente und Zeichenelemente. Die Elemente-Typen sind farblich und graphisch unterscheidbar:

Konstellationselemente (nach Schön et al. 2007)

Akteure können Einzelpersonen, Akteursgruppen und Institutionen sein. Als technische Elemente werden alle Artefakte (materielle Produkte) bezeichnet. Zu den natürlichen Elementen zählen natürliche Ressourcen (Wasser, Boden, Luft), Tiere und Pflanzen, die Landschaft sowie Naturphänomene. Zeichenelemente umfassen Konzepte, Normen, Gesetze, Preise, Kommunikation und Leitbilder.

Relationen

Relationen (nach Schön et al. 2007)

Relationen bezeichnen die Beziehung, die zwischen zwei oder mehreren Elementen besteht. In Erweiterung der bei Schön et al. (2007) vorgenommenen Definitionen werden unterschieden:

  • (Einfache) Relationen: Diese verbinden Elemente, zwischen denen ein sachlich begründeter Zusammenhang besteht, ohne dass die Art der Beziehung (Art, Kausalität, Richtung oder Intensität) näher spezifiziert werden kann.
  • Gerichtete Relationen: Sie kennzeichnen, dass ein Element (ziel)gerichtet auf ein anderes oder mehrere andere Elemente wirkt. Die Wirkung kann absichtsvoll (aktiv) verursacht sein („Impuls“) und sich positiv/fördernd (+) oder negativ/hemmend (-) auswirken.
  • Positiv-fördernde Relationen: Elemente oder davon ausgehende positiv-fördernde (+) Relationen zeichnen sich durch die Abwesenheit offener Antagonismen oder Konflikte aus. Positiv-fördernde Relationen können als Katalysator wirken und Dynamiken am Laufen halten.
  • Treibende Relationen: Positiv-fördernde Relationen können treibende Kraft entfalten. Hierfür kommt es oftmals auf ein kongruentes oder synergistisches Zusammenwirken mehrerer Impulse/Elemente an. In einigen Fällen können auch einzelne Ereignisse (Krisen, Katastrophen) eine solche Wirkung entfalten.
  • Negativ-hemmende Relationen: Negativ-hemmende (-) Relationen (synonym: widerständige Relationen) entfalten eine die Innovationsdynamik bremsende Wirkung. Sofern die hemmenden Kräfte nicht vermindert werden können, entfalten sie unter Umständen auch blockierende Kraft. Zur Differenzierung der negativ-hemmenden Relationen können „antagonistische“ und „konfliktäre“ Relationen unterschieden werden:
  • Antagonistische Relationen drücken passiven, nicht explizierten Widerstand gegen eine Erwartung oder Zuschreibung anderer Elemente aus. Sie liegen vor, wenn z. B. grundsätzlich miteinander unvereinbare Absichten (Interessenslagen) bestehen.
  • Konfliktäre Relationen: Zwischen zwei oder mehreren Elementen bestehen Konflikte, die sich darin äußern, dass ein Element ausdrücklich und absichtsvoll gegen eines oder mehrere andere Elemente agiert und dabei eine Zuspitzung bzw. einen offenen Konflikt in Kauf nimmt.

Kontext

Die Konstellation der am Innovationsgeschehen beteiligten Elemente ist jeweils in einen Kontext eingebettet. Dieser Kontext umfasst gesamtgesellschaftlich bedeutsame, die betrachteten technischen Sparten übergreifende Rahmenbedingungen und übergeordnete Prozesse, die auf die Konstellation als Ganzes Einfluss haben. Zum Kontext gehören gesellschaftliche Einflussfaktoren wie kulturell verankerte Überzeugungen, wissenschaftliche Paradigmen oder wichtige, die Problemwahrnehmung verändernde Ereignisse. Die Veränderungsbereitschaft der Gesellschaft ist maßgeblich von der durch diese Faktoren geprägten Stimmung abhängig. Auch unvorhersehbar eintretende Phänomene, Veränderungen in der Verfügbarkeit von Ressourcen, politische Machtwechsel sowie politische und strategische Entscheidungen auf internationaler Ebene, die mittelbaren Einfluss auf das nationale Geschehen haben, gehören zum Kontext. Da Kontextelemente einen wichtigen Begründungs- und Legitimationshintergrund für unternehmerische und politische Entscheidungen und Impulse haben, können sie als Katalysator für Innovationen fungieren.

Akteurskategorien

Für die strukturierte Erfassung der für EE-Wärme relevanten Akteure und Akteursgruppen bieten sich folgende Akteurskategorien an:

  • Politische und administrative Akteure auf den verschiedenen Verwaltungsebenen (Bundesregierung, Bundesressorts, Parteien, Bundestag, Landesressorts)
  • Akteure im Bereich Forschung, Beratung und Wissenstransfer
  • Akteure der Wertschöpfungskette (z. B. Brennstoffproduzenten und -aufbereiter, Anlagenhersteller, Anlageninstallateure, Energieerzeuger, Energienutzer)
  • Institutionelle Akteure (Branchenverbände, Verbraucherverbände, Mieterverbände, Umweltverbände)
  • Nicht-institutionalisierte, zivilgesellschaftliche Akteure (Umweltgruppen, Bürgerinitiativen, …)


Erläuterung

Politische und administrative Akteure formulieren Ziele und Strategien und setzen diese durch gesetzliche und/oder förderpolitische Impulse auf den verschiedenen Ebenen um. Je nach dem Stand der Technikentwicklung bzw. dem Innovationsbedarf spielen Forschungsakteure (Universitäten, Forschungsinstitute, Fachbehörden und Landesanstalten) eine wichtige Rolle. Zur Vorbereitung des Diffusionsprozesses muss ein Know-how-Transfer zwischen Forschung, Herstellern und Anwendern erforderlich. Für diesen Transfer kommen verschiedene Institutionen (Verbände, Fachbehörden oder auch eigens gegründete Fortbildungseinrichtungen etc.) in Frage. Im Energiebereich wird diese Aufgabe zum Teil von Energieagenturen der Länder oder eigens eingerichteten Fortbildungseinrichtungen übernommen. Die Akteure der Wertschöpfungskette verbindet ein gemeinsames unternehmerisches Interesse am Innovationsfortschritt und seiner Implementierung. In der Regel sind sie voneinander abhängig und daher auf Kooperation angewiesen. Es können aber auch Konkurrenzen zwischen den Akteuren, z. B. um Rohstoffe auftreten. Die Kooperationsbereitschaft kann überdies durch den Wettbewerb um Marktanteile eingeschränkt sein. Das Vorhandensein institutioneller Akteure (öffentliche Einrichtungen, Verbände) gilt als ein Gradmesser für den Organisations- und den Professionalisierungsgrad von Interessensgruppen. Die Verbände verleihen Marktinteressen, aber auch gesellschaftlichen Interessen und Verbraucherinteressen im politischen Raum Gewicht. Darüber hinaus existieren zivilgesellschaftliche Akteure (Bürgerinitiativen, Interessengruppen) die sich häufig anlassbezogen oder aufgrund gemeinsamer gesellschaftlicher oder ideeller Ziele zusammenschließen (Beispiel Anti-Atomkraftbewegung, Umweltbewegung, …) Sie können, wie das Beispiel der Windenergienutzung gezeigt hat, eine Schubkraft für Nischenentwicklungen bewirken, aber auch restriktiv wirken, wenn Entwicklungen nicht konform mit lokalen oder regionalen Interessen oder gesellschaftlichen Wertvorstellungen verlaufen. Widerständige Interessengruppen werden von den Medien und der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen als positiv befürwortende. Ihr Auftreten beeinflusst die gesellschaftliche Wahrnehmung von Konflikten, öffentliche Meinungsbildung und wirkt sich auf politisches Handeln aus (z. B. Befriedungsstrategien als Reaktion auf Proteste).

Konstellationsabbildungen

Durch die Kartierung von Konstellationen werden die im Rahmen der empirischen Analyse ermittelten Einflussfaktoren zueinander in Beziehung gesetzt. Die Konstellationsabbildungen entstehen dabei in mehreren rekursiven Schleifen, deren Ziel es ist, die Komplexität der Zusammenhänge auf das Wesentliche zu reduzieren. Das Ergebnis ist nicht selbsterklärend. Vielmehr bildet es mit der getroffenen Auswahl und Benennung der Konstellationselemente und deren Verbindung durch Relationen ein Ergebnis ab, das für das jeweilige interdisziplinäre Team als Ausgangspunkt für weitere Interpretationen konsensfähig ist. In der interdisziplinären Zusammenarbeit werden sie also vorrangig als ein Mittel zur Strukturierung des Untersuchungsgegenstandes genutzt. Konstellationsabbildungen können darüber hinaus eine Struktur für die ausführliche textliche Darstellung bieten. Ohne eine solche textliche Erläuterung sind Konstellationsabbildungen in der Regel nicht verständlich. Im Vorhaben wurde für jede untersuchte Technologie eine phasenbezogene Konstellationen erstellt, welche aus Sicht der Autoren die maßgeblichen Treiber und Widerstände für die Entwicklung in der jeweiligen Phase wiedergeben. Die Gliederung der textlichen Darstellung des Innovationsberichts orientiert sich an den abgegrenzten Phasen und gibt die Erläuterungen zu den Konstellationselementen.



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Quellen und weiterführende Hinweise

  • Schön, Susanne; Kruse, Sylvia; Nölting, Benjamin; Meister, Martin; Ohlhorst, Dörte (2007): Konstellationsanalyse. oekom Verlag, München.
  • Rammert, W. (2000): National Systems of Innovation, Idea Innovation Networks, and Comparative Innovation Biographies. Technical University Technology Studies Working Paper TUTS-WP-5-2000, S. 35-42.
  • Bruns, E.; Futterlieb, M.; Ohlhorst, D.; Wenzel, B. (2012): Netze als Rückgrat der Energiewende. Hemmnisse für die Integration erneuerbarer Energien in Strom-, Gas- und Wärmenetze Universitätsverlag TU Berlin.
  • Bruns, E.; Ohlhorst, D.; Wenzel, B.; Köppel, J. (2010): Erneuerbare Energien in Deutschland – Eine Biographie des Innovationsgeschehens. Endbericht zum Forschungsvorhaben „Innovationsbiographie der erneuerbaren Energien“ des Bundesumweltministeriums, FKZ 0327607. Universitätsverlag TU Berlin.
  • Bruns et al. (Bruns, E.; Köppel, J.; Ohlhorst, D.; Schön, S.) (2008): Die Innovationsbiographie der Windenergie. Absichten und Wirkungen von Steuerungsimpulsen. LIT Verlag Münster.